Sonntagmorgens, wenn die Glocken läuten, da tut es mir weh, dass wir in St. Wilhadi und St. Cosmae nicht mehr jeden Sonntag einen Gottesdienst feiern. Auch in St. Nicolai/Bützfleth wird auf Dauer der Sonntagsgottesdienst nicht mehr wöchentlich sein. In den Wintermonaten und in der Ferienzeit war das in der Innenstadt schon seit langem üblich. Eine Kirche muss mit Leben erfüllt sein. Es müssen nicht Massen sein, die sonntags in den Bänken sitzen. Doch eine Kirche muss durchbetet sein. Wenn ich zum Urlaub im Ausland bin, sonntagmorgens Kirchenglocken läuten und ich aus der Ferne mitbekomme, dass Gottesdienst gefeiert wird, tröstet es mich irgendwie, selbst wenn es nur drei Mönche sind, die ihre Andacht feiern. Es wird gebetet – auch für mich. Doch nun, wo mehrere Pfarrstellen im Stadtpfarramt unbesetzt sind, reduzieren wir. So werden wir zu zweit mit Unterstützung von Menschen im Lektorendienst und in Zusammenarbeit mit dem Superintendenten und dem Regionalbischof die gottesdienstliche Versorgung sicherstellen. Deshalb haben beide Innenstadtgemeinden jetzt abwechselnd Gottesdienst um 11 Uhr, und um 9.30 Uhr predigen wir in St. Nicolai oder in Agathenburg. Vor einem Jahr waren wir im Stadtpfarramt noch 6 Personen im Pfarrdienst, verteilt auf 4 ¼ Pfarrstellen. Im letzten Winter hatten wir schon, um Heizkosten zu sparen, in den ersten Wintermonaten in den Innenstadtkirchen nur in St. Wilhadi Gottesdienst gefeiert, dann im neuen Jahr nur in St. Cosmae. Das wollen wir so nicht fortsetzen, nicht nur weil die Heizungen dadurch Schaden genommen haben. Nun bleiben wir – auch im kommenden Winter – bis auf die Feiertage beim 14 Tage-Rhythmus. Aber nicht jeden Sonntag Gottesdienst zu feiern, wo doch die Glocken läuten und jeder Sonntagsgottesdienst an die Schöpfungsgeschichte und den Ostersonntag erinnert, das berührt mich. Natürlich sind die beiden Innenstadtkirche nur ein paar hundert Meter voneinander entfernt, und in jeder der beiden Kirche ist sonntags noch viel Platz. Aber ich weiß von einigen, dass sie ohne viel Nachdenken einfach in ihre Kirche gehen wollen. Schade, das ist erst einmal nicht mehr möglich. Ich hoffe, dass sie nun doch den Weg in die andere Kirche finden. Für die Bützflether wird es noch viel aufwendiger sein, den Weg in die Innenstadt zu finden. Wir werden uns bemühen, die Gottesdienste würdevoll zu gestalten und geistliche Gemeinschaft erlebbar zu machen. Wer nach einem Gottesdienst sucht, soll einen finden. Dass wir reduzieren müssen, spiegelt natürlich wider, dass unsere Gesellschaft im Wandel ist. Seit April 2022 gehört die Bevölkerungs -Mehrheit in unserem Land nicht mehr einer der beiden großen Kirchen an. Kirchenzugehörigkeit gehört nicht mehr einfach dazu und ist eine Entscheidung geworden. Das merken wir auch in den Konfirmandenzahlen. Gleichzeitig haben wir nun Jugendliche, die mit Ernst und Freude bei der Sache sind. Das wünsche ich mir auch für unsere Gemeinden. Kirche hat im Neuen Testament viele Verheißungen, aber nicht die, dass ihr mindestens 60 Prozent der Bevölkerung angehören. Die Bibel verspricht (Matthäus 18,20), dass wo zwei oder drei in Jesu Namen versammelt sind, er mitten unter ihnen ist. Das werden wir weiterhin jeden Sonntag feiern, und dazu geistliche Musik und Gottes Wort hören, singen und beten.
Pastor Götz Brakel